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Günter Grass Ein persönlicher Nachruf von Beat Sterchi
Die Trauer ist gross. Ich mochte ihn sehr. Ich hatte auch Grund, ihn zu mögen. Vor mehr als 40 Jahren lernte ich ihn in seinem Haus in Wewelsfleth persönlich kennen.
Natürlich war ich beeindruckt. Und überfordert. Ich hatte überhaupt kein Geld und arbeitete in seinem Atelierhaus intensiv an der Schlussfassung eines Buches, mit dem ich meine Lebensumstände zu verbessern hoffte. Und natürlich notierte ich, was er sagte, was mir auffiel, in ein Schulheft.
Als ich ihm von einem gemeinsamen Freund vorgestellt wurde, lag er unter einer dicken Decke krank im Bett, die «Frankfurter Rundschau» neben sich. Er sprach sofort von Politik. Er wollte auch gleich aufstehen und für uns kochen.
Schon beim ersten Gespräch sagte er, in der Schweiz sollte man beim Schreiben der Hochsprache den Dialekt mehr durchblicken lassen. Er nannte mich kichernd Gotthelf Junior und sagte auch, er beneide mich sehr, es sei doch schön, in einem Buch noch die letzten Punkte zu setzen, um es auf die richtige Stufe zu heben.
Und als ich einmal sagte, was ich meine, klinge vielleicht anmassend, sagte er: Seien Sie anmassend! Und als Schweizer hätte er mich sofort erkannt, als ich auf ein Lob geantwortet hätte, alles sei relativ. «Das ist so schweizerisch!» sagte er.
Trotzdem rauchte er dann mir zu Ehren, wie er spassig sagte, einen Villiger-Stumpen und erzählte, wie er vom Gesetz her für seine ersten Lesungen in der Schweiz jeweils eine Hausiererlizenz benötigte.
Dabei schob er mir lachend ein Streichholzbriefchen zu. Es war schwarz und vorne stand der Name irgend einer Hotelkette und unter dem Schwefelstreifen in Gold: G. Grass. «Einen Tag war ich dort. Das ist Ruhm.»
«Das ist Ruhm?» fragte ich, ebenfalls lachend. «Ja, das ist noch die angenehmste Seite davon, die komische, die idiotische.»
Später, noch lange vor dem Nobelpreis, hörte ich wiederholt, wie man sich über ihn entrüstete.
Einmal, in Berlin 1984 sagte in einer Diskussion eine aufstrebende junge Literatin aus dem Osten: «Und dann kommt auch noch der Grass, dieser Dinosaurier!»
Ein Dinosaurier war der private Günter Grass ganz entschieden nicht. Im Gegenteil, verglichen mit vielen, weit weniger berühmten literarischen Grössen war er äusserst bodenständig, kollegial und liebenswürdig.
Ein Blog-Beitrag von «Bern ist überall» im Journal B. Zuletzt: Die Zukunft von Guy Krneta.
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